Merkblatt zur Einschlusskörperchen-Krankheit bei Boiden von Dr. med. vet. Renate Keil
Diese vor drei Jahrzehnten in den USA erstmals bei Tigerpythons beschriebene Viruserkrankung tritt in den letzten Jahren sehr häufig auch in Deutschland auf.
Übertragung:
Es handelt sich nach den derzeitigen Erkenntnissen um ein Virus, das
1. durch direkten Kontakt
2. vermutlich durch Milben
3. von der Mutter auf die Jungtiere
übertragen werden kann. Wieweit auch indirekte Übertragungen eine Rolle spielen, z.B. durch Gerätschaften, Fütterungsbehälter, Transportbehälter usw., die kurz zuvor mit erkrankten Tieren in Berührung gekommen waren, müsste noch untersucht werden, ist aber wahrscheinlich.
Krankheitsverlauf:
Der Krankheitsverlauf ist recht unterschiedlich, aber offenbar immer tödlich. Da es zu einer Immunsuppression kommt, werden als erste Krankheitszeichen häufig Magen-Darm-Erkrankungen, Häutungsprobleme oder Lungenentzündung diagnostiziert und manchmal durchaus erfolgreich behandelt, allerdings treten bald wieder Rezidive auf. Bei manchen Tieren dagegen fällt dem aufmerksamen Besitzer ein zunächst oft nur leicht verändertes Verhalten auf, das auf eine Enzephalitis hinweist:
1. die Tiere züngeln anders, langsamer, lassen die Zunge oft unbeweglich draußen,
2. sie wirken lahm
3. sie zittern leicht mit dem Kopf, wenn sie kriechen,
4. sie haben unterschiedlich große Pupillen (Anisokorie), die auf Lichteinfall zögernd reagieren,
5. erscheinen orientierungslos
6. sind im letzten Stadium nicht mehr zu normaler Fortbewegung fähig, drehen sich auf den Rücken, bewegen sich "schraubenförmig".
Die Übergänge sind fließend, und manchmal sind die ersten Anzeichen nur winzige Störungen im Bewegungsablauf. Manche Tiere fressen noch bis zum Schluss gut, oft können Sie im Endstadium das Futter aber nicht mehr verdauen und erbrechen es.
Diagnostik:
In der Regel wird die Diagnose erst gestellt, wenn das tote Tier zur Sektion eingeschickt wird und histologische Schnitte der Organe angefertigt werden, in denen man die Viruseinschlusskörperchen sieht. Ein serologischer Test steht bisher noch nicht zur Verfügung, es wird aber an der Entwicklung gearbeitet. Eine sichere Nachweismöglichkeit beim lebenden Tier ist die Entnahme von Gewebe der Leber und der Bauchspeicheldrüse in Narkose (Biopsie), um im histologischen Schnitt Einschlusskörperchen nachzuweisen. Natürlich ist das sehr aufwendig und nicht ungefährlich, zur Routineuntersuchung also nicht geeignet.
Nur bei Boiden, leider nicht bei Pythoniden, gibt es eine gute Alternative. Boas zeigen Einschlusskörperchen häufig auch in den Erythrocyten, oft sehr lange, bevor die Erkrankung tatsächlich ausbricht. So kann man durch die Entnahme von einem Tropfen Blut, der gefärbt und mikroskopisch untersucht wird, die Infektion häufig sehr früh feststellen. Manchmal kommt nur eine befallene Zelle auf mehrere Tausend Erythrocyten - ein "Schnellnachweis" ist diese Methode nicht, und sie setzt auch einige Erfahrung voraus - aber sie ist gefahrlos und bis auf den Kanülenstich in die Vene auch schmerzlos für das Tier. Sie kann also eventuell auch ohne Probleme mehrmals wiederholt werden.
Der Nachteil dieser Nachweismethode ist, dass sie nicht bei Pythons funktioniert, weil sie bei ihnen die Erythrocyten anscheinend nicht befallen werden und man auch bei Boas noch nicht weiß, nach welcher Inkubationszeit sie positiv ist. Dafür sind noch Tierversuche nötig, auch daran wird gearbeitet. Ein negativer Blutausstrich besagt also nicht, dass das Tier mit Sicherheit von dem Virus frei ist. Bei einem Tier, das Kontakt mit IBD-Tieren hatte, sollte die Blutuntersuchung also auf jeden Fall nach einigen Monaten wiederholt werden, wenn die erste Untersuchung negativ war. Bis dahin sollten solche Schlangen in strenger Quarantäne gehalten werden.
Behandlung:
Es gibt leider keine. Bereits nachweislich erkrankte Tiere sollten schmerzlos getötet werden (mit Barbiturat beim Tierarzt). Wurde zwar die Infektion, aber noch keine Erkrankung festgestellt, sollte eine solche Schlange keinesfalls verkauft werden oder jemals wieder in einen Bestand mit anderen Schlangen integriert werden. Solange sie klinisch gesund ist, kann sie einzeln, oder mit anderen positiven Tieren zusammen gehalten werden, wobei aber keine Zucht möglich sein darf, weil damit zu rechnen ist, dass zumindest ein großer Teil der Jungen angesteckt wird. Wer ein solches Tier unkontrolliert abgibt, gefährdet durch die weitere Ausbreitung dieser Seuche gesunde Bestände und letztlich auch die ganze Art (von Schadensersatzforderungen ganz abgesehen).
Vorbeugung:
1. Strenge Quarantäne neuer Tiere für mindestens ein halbes Jahr.
2. Blutuntersuchung am Anfang und Ende der Quarantänezeit.
3. Kauf neuer Tiere nicht aus dubiosen Quellen (Zeitungsinserat, Börse, "Sonderangebot" ...), sondern bei Züchtern, die dem Bluttest zustimmen und deren Elterntiere negativ getestet wurden.